> playground/spielfeld
6. Festival garage Stralsund
26.7.-17.8.2002


garage versteht sich als Plattform für zeitgenössische Kunst und Kultur. Das seit fünf Jahren stattfindende Festival ist Experimentierfeld für neue Ansätze in Produktion, Präsentation und Diskussion kultureller Inhalte. Jährlich im August werden Künstler, Musiker und Theoretiker aus dem In- und Ausland eingeladen, sich mit einem aktuellen Thema auseinanderzusetzen. Wesentlicher Punkt dabei ist die Frage nach den Möglichkeiten von Kunst und Kultur, sich in einen sozialen und kulturellen Entwicklungsprozess einzubringen. garage will modellhaft kulturelles Geschehen in der Region bereichern, Potentiale erschließen und hierbei besonders junge Kunst der eigenen Generation fordern und fördern.


> Thema 2002

'Das Spiel ist ein Naturphänomen, das von Anbeginn den Lauf der Welt gelenkt hat, die Gestaltung der Materie, ihre Organisation zu lebenden Strukturen wie auch das soziale Verhalten des Menschen.' (Manfred Eigen)

Die Vorstellung vom Spiel, das die Konflikte der Welt reflektiert, ist alt. Spiele wie das chinesische Go, das Chaturanga der Hindu und Schach sind eindeutige Simulationen kämpferischer Formationen. Spiel ist Krieg und Krieg ist Spiel. Die Spieltheorie wird oft als das 'Kriegsspiel' des 20. Jahrhunderts dargestellt. Die Geschichte der Spieltheorie als eigenständige Wissenschaft beginnt 1944 mit der Veröffentlichung von 'Theory of Games and Economic Behavior' von John von Neumann und Oskar Morgenstern und hat sich bis heute zu einem entscheidenden Bestandteil der Wirtschaftswissenschaft entwickelt. Die 'game theory' ist eine mathematische Formulierung idealisierter Konfliktsituationen, das heißt, die Theorie findet überall dort Anwendung, wo Konkurrenzsituationen von Individuen zu untersuchen, Verhaltensmuster zu erklären und möglichst rationale Konfliktlösungen zu finden sind. In diesem Sinne ist Spiel eine Folge von Schritten, in denen der eine oder andere Spieler aus einer genau definierten Menge von Alternativen eine einzige wählen muss. Der Schwerpunkt liegt auf dem Entwerfen von Strategien und macht das Spiel zu einem gewinnorientierten Prinzip. Als ein wesentlicher Aspekt der Spieltheorie gilt das 'minimax'-Prinzip, das sich vereinfacht in einem Bild erklären lässt: Zwei Kinder sollen ein Stück Torte teilen. Jedes der beiden will das gleiche ‚ so viel von dem Kuchen wie möglich. Eine klassische Konfliktsituation. Die beste Strategie ist es, dem einen Kind das Schneiden und dem anderen das Aussuchen zu überlassen. Die Vorhersehbarkeit der Reaktionen und die menschliche Gier sorgen für eine gerechte Lösung. Ungefähr zeitgleich mit von Neumanns Schrift erscheint das Buch des Anthropologen Johan Huizinga, 'Homo Ludens', der einen sehr viel weiter gefassten Begriff des Spielprinzips prägt. Spiel ist für ihn eine primäre Lebenskategorie. Spiel ist älter als Kultur, denn Kultur setzt die Existenz einer menschlichen Gesellschaft voraus, das Spiel hingegen nicht. Grundessenz des spielerischen Instinkts ist der Spaß. Dabei hat das Spiel eine Sonderstellung jenseits moralischer Werte, erfüllt eine soziale Funktion und schließt den Wettkampf als eine Form mit ein. Das Spiel basiert auf einer bestimmten Imagination von Wirklichkeit, die einer ganz eigenen Welt von Regeln und Ordnungen folgt. Huizinga verweist auch auf die enge Verbindung zwischen Kunst und Spiel auf sprachlicher (z.B. das Spielen von Musikinstrumenten) und formaler Ebene (Regelwerke). Spiel und Musik liegen außerhalb der Vernunft des praktischen Lebens, beide werden von Werten bestimmt, die über logische Vorstellungen hinausgehen, beide unterliegen dem Spieltrieb oder -instinkt . Bereits für Plato war die Arbeit des Künstlers, die Mimesis, keine ernsthafte Tätigkeit, sondern ein Nachahmen im spielerischen Sinne. Kreativität war also Spiel.

Die Psychoanalyse wird später Spiel als einen psychologischen Zustand verstehen, in dem die Grenzen zwischen dem Selbst und der Wirklichkeit fließend sind, das heißt, Objekte der Realität können durch die Vorstellungskraft eine ganz neue Wirklichkeit annehmen. Im Spiel, das sich durch die Akzeptanz dieses Raumes manifestiert, entsteht somit Kreativität und nachfolgend Kommunikation zwischen dem Individuum und seiner Umwelt.


Mit dem öffentlichen Raum betritt man ein Spielfeld

Spiel ist ein natürlicher Zustand. Jeder spielt, mit Spielzeug, Computern, Autos, Gedanken, Regeln, anderen, sich selbst. Man kann Spiel auch als Simulation von Wirklichkeit verstehen. Es fällt nicht schwer, gesellschaftliche, politische und kulturelle Realität mit den Prinzipien des Spiels zu definieren. Welche Möglichkeiten hat man bei diesem Spiel mitzuspielen und wer legt die Spielregeln fest? Im Allgemeinen erkennt man bestehende Spielregeln an, man spielt mit, man gewinnt, man verliert, aber vor allem wird man unterhalten. Was passiert aber, wenn man beginnt, mit den Gegebenheiten zu spielen, nach neuen Spielräumen sucht oder den öffentlichen Raum zum Spielfeld erklärt? Wer spielt mit wem? Wie wird die Teilnahme/Interaktion zum gestaltenden, verändernden Eingriff in eine vorgegebene Ordnung?

garage 02 sucht nach Ansätzen und Positionen zur künstlerischen Auseinandersetzung mit den Prinzipien und Mechanismen des Spiels. Spiel mit Konventionen, Spieltechniken, Spiel als Lösungsmodell konkreter Problematiken, Spiel als Manipulation von Wahrnehmung, Spiel als kritische Reflexion, Spiel als Spiel. Grenzüberschreitungen und vernetztes Spielen. Mobiles Spielen und mobiles Denken.

garage 02 wird wie in den Vorjahren Ausstellungen, Installationen, musikalische Projekte, Diskussionen, Filmscreenings und Workshops präsentieren.


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