11.08.02 -- speicher am katharinenberg -- 14 Uhr
> public playground -– Spielplätze der Kunst
Podiumsdiskussion

Spiel genügt in erster Linie sich selbst: Als »zweckloses« Hin und Her zwischen Spielkameraden geschieht es »aus Spaß an der Freude«. Auf den zweiten Blick jedoch enthüllt das Spiel eine starke soziale Dimension: Das Hin und Her, die Interaktion, zwecklos oder nicht, stiftet ein soziales Band zwischen den Spielenden, erlaubt Selbsterkenntnis ebenso wie das Verstehen eines Gegenübers. Spiel ermöglicht auch das Durchspielen, Durchleben, Durcharbeiten von Optionen – gefahrlos, weil nicht »wirklich«, nicht wirksam in der Wirklichkeit. Egal, ob das jeweilige Spiel ein strenges Regelwerk aufweist, oder ob es dazu aufruft, Konventionen, Grenzen zu überschreiten: Spiel macht den Menschen als ein Wesen fassbar, dass sich den vorhandenen Möglichkeiten anpassen kann und sein Handlungsfeld auszuweiten vermag.

Spiel bietet Erfahrungsmöglichkeiten ohne Nebenwirkungen, denn das Spiel kann jederzeit verworfen, das Spielfeld jederzeit verlassen werden. Jederzeit? – Was ist, wenn sich aus dem Durchleben von Optionen ein Bedürfnis entwickelt hat, sie leben und ausleben zu wollen? Was, wenn der Bruch mit den Spielpartnern das soziale Band zu durchtrennen droht? So wird das vermeintlich zwecklose, selbstgenügsame Spiel schnell als etwas wahrnehmbar, was sich in permanenter Gratwanderung zwischen öffentlich und privat befindet.
Die interaktiven digitalen Computer-Technologien haben das Spiel nun wieder ins Gespräch gebracht. Im Wesentlichen als Computer-Spiel, aber auch als Kunstformen, deren Möglichkeiten zur Teilnahme gleichbedeutend wird mit Mitspielen. Vor dem Computer sitzend, in Interaktion mit einem digitalen oder aber digitalisierten anonymen Gegenüber wird ein solches Spiel noch sehr viel mehr zu einer privaten Angelegenheit als im Sandkasten, in der Skatrunde oder auf dem Tennisplatz. Lässt sich diese Privatheit, das Abkoppeln des Spiels von einer gesellschaftlichen Gemeinschaftserfahrung, in die Öffentlichkeit zurückführen?

public playground widmet sich der Erweiterung des Spielfeldes. Das Spielfeld ist der öffentliche Raum – aber was ist der öffentliche Raum eigentlich? Der öffentliche Raum ist mit einem engen Netz aus Regelwerken überzogen. Setzungen, Konventionen und Kontrolle bestimmen Bewegung und Verhalten. Die Grenzen zwischen privat und öffentlich sind scharf gezeichnet. Wie viel Kommunikation findet im urbanen öffentlichen Raum noch statt? Welche Rolle spielen die klassischen Medien (Rundfunk/ TV) bei der Konstitution von Öffentlichkeit? Äußert sich das Bedürfnis nach Öffentlichkeit in den Nachmittagstalkshows? Wer hat was zu sagen?
Wo brechen Künstler und Medienaktivisten mit Konventionen? Wie werden die das Spiel kennzeichnenden Dimensionen erweitert? Wo werden private, mediale, kulturelle und gesellschaftliche Grenzen übertreten? Spiel als Handlungsstrategie, Spiel als Experiment, Spiel als Kommunikationsversuch... Es ist alles nur Spiel!
(Sabine Breitsameter/garage)

Kunsthistoriker, Soziologen, Spielemacher, Spielexperten, Medientheoretiker, Künstler und Netzwerker diskutieren Spiel im Kontext Kunst und Kultur. Einen Tag lang stehen Vorträge, Projektvorstellungen, Werkstattberichte und Erfahrungen der vergangenen Festivalwochen auf dem Programm. Abschließend wird zu einer großen Podiumsdiskussion eingeladen. Moderiert wird die Veranstaltung von Sabine Breitsameter.

mit:

Barbara Barthelmes, Musik- und Kulturwissenschaftlerin, Publizistin, Berlin
http://www.positionen-bznm.de/

Konrad Becker (Österreich) Künstler, Kurator, Veranstalter, Publizist und Produzent im Bereich der elektronischen Medien. Er ist Vorsitzender des Institute for New Culture Technologies, Leiter von public netbase/t0 und Gründer von world-information.org.
http://www.t0.or.at

Sabine Breitsameter (Berlin) Radioredakteurin, Autorin und Veranstaltungsmacherin. Ihr Spezialgebiet sind avantgardistische akustische
Kunstformen. Sie ist Kuratorin internationaler Veranstaltungen zu den Themen
»Hören« und »Akustische Medienkunst« und leitet eine Radiosendung im SWR 2 ç
AudioHyperspace ç die sich speziell mit Soundart im Internet auseinandersetzt.
http://www.swr2.de/audiohyperspace/index.html

Volker Grassmuck (Berlin) Soziologe, Publizist und Informationswissenschaftler. Mitbegründer von mikro.org und Organisator der Konferenzreihe »Wizards of OS«
http://waste.informatik.hu-berlin.de/Grassmuck/

re-p/m.ash/unrast (Österreich) Wiener Künstlergruppe re-p/m.ash/unrast (Maia
Gusberti, Michael Aschauer, Sepp Deinhofer, Nik Thönen). Sind mit dem Projekt ./Logicaland zum Festival eingeladen.
http://www.logicaland.net
http://www.re-p.org

Sven Mann / Thom Kubli (Köln) sind mit der Klanginstallation »Deterritoriale
Schlingen« zum Festival eingeladen.

Alexej Paryla (Berlin) Bühnenbildner, Videokünstler, ist mit dem Projekt
»2,3 + 12« zum Festival eingeladen.

Time's Up (Österreich) Labor für die Konstruktion experimenteller
Situationen aus Linz. Sind mit dem Projekt »Sonic Pong« zum Festival
eingeladen.
http://www.timesup.org/

 



11.08.02 -- speicher -- 21 Uhr
> Armchair Traveller (Berlin)

Silvia Ocougne - placked, hammered, e-bowed guitars, string instruments
Hella von Ploetz - glassharp
Werner Durand - traditional, invented wind instruments
Sebastian Hilken - cello, frame drums, metal percussion
Sukhdeep Singh - tabla


Armchair Traveller spielt verkehrt, verdreht die Tatsachen, um am Ende vielleicht echte, authentische, ethnische Musik der Jetztzeit hervorzubringen. Sie ist echt, weil alles an ihr unecht ist; sie ist authentisch, weil völlig neu erfunden, um doch archaisch zu klingen, weil auf selbst gebauten Instrumenten aus Alltagsmaterialien oder auf üblichen Instrumenten mit speziellen Präparationen und Applikationen von Musikern erzeugt, die sich spezifische Spieltechniken weitgehend selbst angeeignet haben; sie ist ethnisch, weil der Zufall gleichzeitiger Anwesenheit in einer Großstadt wie Berlin sie zusammengeführt hat. Vieles wirkt elektronisch, aber alles ist »akustisch«. Ein Cello, mit Büroklammern gespickt, klingt wie die Mbira, das afrikanische Daumenklavier; PVC-Rohre, versehen mit Plastiktütenmembranen und Saxophonmundstücken, können sich geräuschlich zur Bohrmaschine wandeln; Glasharfen klingen wie das fatamorganische Tuten eines Ozeanriesen mitten in der Wüste oder das Trompeten von Elefanten. Auch Blumentöpfe und Pizza-Alu-Formen bekommen ihre Stimme. Der Reisende im Lehnstuhl entdeckt – so befremdet wie fasziniert – das Fremde an sich selbst. (nach: Matthias Osterwold)