10.08.03 - garage - 10 - 22 Uhr
Symposium: Instabile Systeme
   

Instabilität - Bezeichnung für den Zustand eines dynamischen Systems, bei dem bereits geringe Fluktuationen zum Übergang des Systems entweder in einen anderen, stabileren Zustand führen oder es immer vom ursprünglichen Zustand entfernen

Kunst ohne Rezept - Ein kulinarisches Symposium
Zum zweiten Mal findet im Rahmen des garage-Festivals ein Symposium statt, das die Möglichkeit geben soll, das Thema des Festivals auch theoretisch zu reflektieren. Einen Tag lang stehen Vorträge, Projektvorstellungen, Performances und Werkstattberichte von den vergangenen Festivalwochen auf dem Programm. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt - um Anmeldung wird gebeten (info@garage-g.de).

Künstlerische Arbeit mit digitalen Medien bedeutet stets, dass man sich auf die Prozesshaftigkeit der Technologie und auf die ihr inhärente Instabilität einlassen muss. Die zunehmende Bedeutung von Software für die künstlerische Produktion hat dies nur umso deutlicher werden lassen: Während bestimmte Prozesse programmiert werden können, entzieht sich ein entscheidender Teil künstlerischer Kreativität dem Programm-Code und drückt sich in Gesten, in Öffnungen, in Unwägbarkeiten aus.
Wir sprechen an diesem Tag über Kunst als Spekulation, als Praxis durch und jenseits der Programme und Rezepte. Und um der Theorie einen manifesten Ausdruck zu geben, wollen wir das Symposium durch eine Reihe von Mahlzeiten strukturieren, die sich als Verstärkung oder als Kontrapunkte zu Vorträgen, Präsentationen und künstlerischen Interventionen verhalten. Eine besondere Qualität digitaler Systeme ist ihre verlustfreie Reproduzierbarkeit. In diesem kulinarischen Symposium jedoch wird der Konsum, das Verbrauchen, das Verzehren als wichtige Dimension künstlerischer Arbeit dem Prinzip der Reproduktion entgegen gesetzt. Konzepte wie 'File-Sharing' und 'Cooking Pot Markets', Manifestationen elektronischer Instabilität und das Perpetuum Mobile generativen Codes werden bei süßen und salzigen Snacks, bei Suppen, Puddings und anderen Leckereien materialisiert und mit allerlei Getränken verflüssigt.
Die fünf Gastgeber präsentieren je eine Mahlzeit (Frühstück; Mittagessen; Kaffee & Kuchen; Vesper; Nachtmahl) und reichen dazu, davor oder danach eine diskursive oder performative Beilage, die sich mit den Grenzen der Programmierbarkeit künstlerischer Arbeit beschäftigen. Der diskursiv-kulinarische Anspruch des Symposiums ist durchaus ernsthaft, die soziale Qualität eines gemeinsamen Essens, von gemeinsamer Zubereitung über Verzehr bis zu konzentrierten Ruhephasen zwischen den Mahlzeiten, soll als Katalysator für eine intensive Kommunikation funktionieren.
(Alle eingeladenen Referenten beschäftigen sich aktiv mit den verschiedenen Formen sozialen Feedbacks auf künstlerische Produktion und arbeiten in den grenzbereichen Medien, Lehre und Forschung, (Kultur-)Politik, Öffentlichkeit und Kunstproduktion.)

Kuratiert und moderiert wird die Veranstaltung von Andreas Broeckmann, künstlerischer Leiter des internationalen Medienkunstfestivals „transmediale" in Berlin.

Dr. Andreas Broeckmann - Code und Konsum, Rezept und Verzehr
Dr. Andreas Broeckmann (Medienwissenschaftler, Berlin, *1964) lebt und arbeitet in Berlin. Er hat Kunstgeschichte, Soziologie und Medienwissenschaft studiert und von 1995-2000 als Projektleiter für das Rotterdamer Institut für instabile Medien, V2_Organisation, gearbeitet. Seit Herbst 2000 ist er künstlerischer Leiter der transmediale - internationales medienkunst festival berlin. Er ist Mitglied des Berliner mikro e.V. und Mitbegründer und Co-Koordinator des European Cultural Backbone, einem Netzwerk europäischer Medienkulturzentren.
Texte (Auswahl):
> http://www.v2.nl/abroeck
> und über: http://www.nettime.org
transmediale > http://www.transmediale.de

Antye Greie - Prozess, Kopie und Wiederholung (Musikerin, Berlin)
Antye Greie bearbeitet als Musikerin, Künstlerin und Autorin im Umfeld des Berliner Labels Kitty-Yo das weite Gebiet zwischen Elektronik, Netz, Kommunikation und Stimme. Mit ihrem international erfolgreichen Projekt »Laub« veröffentlichte sie bisher drei Alben und experimentiert auf elektronisch-improvisatorischer Basis mit Sprache, Open Sources (Netz) und kooperiert mit Video (Pfadfinderei Mitte, Kunstfernsehen). Mit zahlreichen internetbasierten Partnern (betalounge.com, freshmilk.de u.a.) bestreitet sie auf der Seite der Content-Anbieter den Umgang mit neuen Medien und Technologien wie Audio Stream (Netzradio), Audio Download/E-Commerce und Netz-TV und beschäftigt sich mit den daraus resultierenden kulturpolitischen Entwicklungen, wie Urheberrechte und Wertfragen im digitalen Raum.

Erik Hobijn / Arlette Muschter (Amsterdam/NL) The Tactile Machine 1
Die Installation bezieht sich auf das Werk des italienischen Futuristen Marinetti und seine besondere Sichtweise auf Maschinen, insbesonder auf das Rezept für »Das taktile Dinner« aus dem »Futuristischen Kochbuch« von 1932. Wichtig waren auch die Arbeiten von Bas Jan Adler. »The Broken Wall« Westkapelle, 1970, Franz Feigels Rezept »A Commitment of Friends«, 1996, Yuri Yakoulows Kostüme für das Ballett »Le pas d’acier«, London 1927, und Patrick C.P. Faas’ historisches Kochbuch »Round the Roman Table« von 1994.
»The Tactile Machine« ist eine Lebensmittel-Installation, eine Performance oder, wie Marinetti es nannte, eine »Formel« für ein mögliches Mahl. Die Grundlage unserer »Formel« ist ein Exkurs über und mit dem menschlichen Körper; für die Gäste ist es außerdem die Erfahrung eines geteilten Körpers, da sie, idealerweise ein Paar, die sinnliche Mischung aus kulinarischer und körperlicher Erfahrung genießen.
Die Hauptinstallation setzt sich zusammen aus einem kräftigen Stahlrahmen, der um ein pneumatisches kippbares Bett oder besser Tisch gebaut ist. Der Rahmen ist recht groß und ca. 3 m hoch. Darüber hinaus gibt es hochfunktionale Kleidungsstücke (aus alten Armeezeltplanen, Leinen und teilweise neudesignten Küchengerätschaften zusammengesetzt), eine Lebensmittelkanone und einen bionischen Bierarm. Das Dinner ist für 2 Gäste gedacht, am besten ein Paar. Eine Person legt sich auf den kippbaren Tisch, die andere isst von dem liegenden Körper. Als Getränk wird Bier gereicht, die Flaschen werden von der bionischen Bierhand geöffnet. Insgesamt gibt es vier verschiedene Günge an vier verschiedenen Punkten des Körpers.

Thilges3 (Wien/A) Eingriffe (Assoziationen)
mobile Klanginstallation/Performance
Im August 2003 werden Thilges3 vor Ort an einer temporären mobilen Soundinstallation arbeiten.
Die als »Sozialakustik« definierte Arbeitsweise verfolgt Spuren öffentlichen Lebens. Wie schon in dem Projekt »Die offene Gesellschaft« wurde bewusst mit den jeweiligen Erwartungshaltungen von 4 verschiedenen (Altersheim, Kindergarten, Kloster, Gefängnis) sozialen Positionen gearbeitet. Die Soundinstallation ist das Medium für die Auseinandersetzung mit Stralsund und seinen Bewohnern. Live agierend, aber auch als autarke, automatisierte Audioskulptur werden Thilges3 in lokale Gewohnheiten eingreifen. Reaktionen werden dokumentiert und anderorts weiterverarbeitet. Dem Konzept des diesjährigen Festivals wird insofern Rechnung getragen, als dass die Aktionen und Interventionen spontan passieren. Ein portables hochwertiges Tonstudio macht dies möglich. Am letzten Tag des Festivals werden die gesammelten Ergebnisse zu einem Werk zusammengeschweißt und live präsentiert.
Eingriffe (Assoziationen): Muezzin singt vom Turm einer protestantischen Kirche; in der Straßenbahn wird die Stationsansage manipuliert; fiktive Werbeeinschaltungen, Irritationen; Verkehrslärm an einer Kreuzung in der Fußgängerzone.
Installationen: Frisiersalon - Musik unterlegt Klatsch aus aller Welt. Beim Metzger - Muzzak mit natural enviroments, Urwald, Zoo, Alm…
Sozialakustik. Was landläufig unter »Bespielen« verstanden wird, wird bei Thilges3 zur differenzierten Auseinandersetzung mit dem Ort, seinem Publikum und dessen Vorstellungswelten. Die Unterhaltung verliert ihre Unschuld, sobald sie mit dem Spiel mit Erwartungshaltungen, mit Haltungen und Widersprüchlichkeiten dieser künstlerischen Ausdrucksform konfrontiert wird.
> http://www.thilges.at

Dr. Simon Waters - Klang und Genuss (Norwich/UK)
SSimon Waters untersucht in seiner Arbeit die Beziehung zwischen Musik (Produktion und Rezeption) und aktuellen gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten. Er beschäftigt sich dabei insbesondere mit Kulturwissenschaftlichen Ansätzen zu Film, elektronischen Technologien, Materialkultur und Postmodernismnus. Waters hat für Theater, Installationen und zeitgenössischen Tanz gearbeitet. Als Direktor der Electroacoustic Music Studios organisiert er Konzerte und andere öffentlichen Aktiviäten innerhalb der Universitat, in UK und im Ausland. Er genießt einen internationalen Ruf als
elektroakustischer Komponist, erhält Auszeichnungen und Auftragsarbeiten und spricht regelmäßig auf Konferenzen. Zur Zeit ist der Direktor von zwei Forschungsprojekten an der School of Music:
Advanced Research in Aesthetics in the Digital Arts und SARA (Sonic Arts Research Archive)
> http://www.ariada.uea.ac.uk/
> http://www.sara.uea.ac.uk/

Informationen zu den Symposiumsbeiträgen in Kürze auf dieser Webseite.